Richard Triebe

Richard Triebe wurde 1922 in Briesen/Böhmen geboren. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft erhielt er bei Josef Obermaier eine Ausbildung als Bildhauer. Nach dem Abschluß der Meisterprüfung im Steinmetz- und Bildhauerhandwerk wurde er ab 1957 freiberuflicher Leiter der Dombauhütte Regensburg. Dieses Amt hatte er bis 1986 innen. Seit 1986 ist Richard Triebe Heimatpfleger der Stadt Regensburg. Bis heute unternahm er viele Studienreisen in Europa, nach Afrika und Südamerika. Im öffentlichen und privaten Aufträgen entwarf er Skulpturen und Brunnen und gestaltete Plätze und Eingangssituationen vor Gebäuden. Daneben restaurierte er zahlreiche historische Monumente und Plastiken (z.B. die Löwen an der Donau bei Bad Abbach).

„Natur und Kunst ergänzen sich im schöpferischen Nebeneinander“

Seit Richard Triebe die Dombauhütte seinem Nachfolger überlassen hat und er sich voll der Bildhauerei widmet, haben sich seine künstlerischen Arbeiten verändert. Während seiner Zeit in der Regensburger Dombauhütte war er gezwungen, nach exakten Vorgaben zu entwerfen und zu arbeiten. Bei der Pflege des  gotischen Domes mußten sich seine persönlichen künstlerischen Unteressen den Anforderungen des Gesamtkunstwerkes Gotische Domkirche unterordnen. Jetzt sind seine Arbeiten davon frei, sie entfalten sich ungehemmter von zwingenden äußeren Vorgaben. Sie entstehen in der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Natur in Form der noch ungebildeten Masse des Steines. Trotzdem ist in Triebes Stelen und Skulpturen eine prägende Disziplin zu spüren, die sich in der konsequenten Verfolgung des Prinzips der Durchdringung von Formen und Materialien in immer neuen Zusammenstellungen sowie einer beeindruckenden Stilisierung der Form ausdrückt, die den Betrachter in ihren Bann ziehen kann. Dieses Vorhandensein mehrerer sich durchdringenden Schichten, Formen oder Materialien beschränkt sich dabei nicht nur auf plastische Arbeiten Triebes. Auch in seinen grafischen Arbeiten wird dieses Prinzip der Durchdringung variiert. Offensichtlich wird dies vor allem an seiner Plastik „Daphne“, in der der griechiche Mythos von der Nymphe Daphne, die sich zum Schutz vor Verfolgung in einen Baum verwandelt von Triebe variiert wird.

Besonders eindrucksvoll sind seine Plastiken, vor allem, wenn sie wie in Richard Triebes Garten mit der umgebenden Natur noch in Wechselbeziehung treten und so noch eine weitere Bedeutungsphase ermöglichen, indem das Prinzip der Druchdringung auf die Natur ausgedehnt wird und damit der Daphne-Mythos, das Aufgehen des Künstlichen in der Natur, weitergeführt wird. Gleichzeitig wird der Faktor Zeit eingeführt, indem sich die Kunstwerke je nach Dauer der Aufstellung im Freien auf Grund der Witterung verändern. Die Rückeroberung der Kunst durch die Natur wirkt gerade an den in Stein gehauenen Ideen Triebes reizvoll. Richard Triebe, geprägt von seinem jahrzehntelangen Kampf gegen die Auswirkungen der Umwelt am Regensburger Dom, bezieht diesen Aspekt bewußt in seine Überlegungen mit ein.

Ausgehend vom frisch gebrochenen Steinblock, läßt sich Richard Triebe von „Verletzungen“ des Steines, die beim Brechen oder beim Transport entstanden sein mögen, anregen, seine Vorstellungen zu einer künstlerischen Aussage zu gestalten. Neben dem klaren Formenschatz der Antike sind Anregungen moderner Raumplastik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, besonders von Constantin Brancusi („Vogel im Raum“, 1925) oder Alberto Giacometti („Schwebende Kugel“, 1930/31) nicht zu übersehen. Immer spielt die Beziehung der Skulptur in ihren Simensionen zum umgebenden Raum mit, wird teilweise sogar zu einem wichtigen Thema der Plastik, zum Bespiel in Triebes Selbstporträt als Bildhauer und Hüttenleiter, wo die Figur Triebes sich aus gotischen Mauersteinen herauszustemmen scheint. Die Mehrschichtigkeit seiner Werke drückt sich immer in der Versckränkung klarer geometrischer Formen aus, die von organisch wachsenden, quellenden Objekten durchsetzt werden oder ausgehend von den vorhandenen Wunden der Steinoberfläche wie von absichtlich herbeigeführten, scharfkantigen Verletzungen aufgrissen und strukturiert erscheinen. Auch die Kombination unterschiedlicher Materialien, wie Stein und Metall, die sich aber nicht abstoßen, sondern im Gegenteil einander in der Aussage bedingen und ergänzen, beherrscht Richard Triebe erfinderisch.

Beste Beispiele dafür sind neben vielen anderen seine Stelen und Skulpturen „Totem“, „Vogelstein“, „Tempel für den zunehmenden Mond“, „Blühender Stein“, „Kugel in der Fläche“ oder „Kugelzeichen I/90“, die eindrucksvoll zeigen, wie Natur und Kunst zu einem anregenden und harmonischen Einklang geführt werden können.

 

Buch: Landkreis Regensburg
Das große Heimatbuch der südlichen Oberpfalz, Seite 176-177
MZ Buchverlag, 1994
Artikel von Xaver Luderböck